Cabaret

In der Provinz wird Dekadenz schnell zur Spießigkeit

Vermutlich hatte fast jeder Premierenbesucher den Film mit Liza Minelli aus dem Jahr 1972 bereits früher einmal gesehen. Dass die Besucher die Aufführung am Stadttheater Konstanz damit vergleichen würden, musste der Regie und allen Beteiligten klar sein. Und ebenso klar dürfte gewesen sein, dass man genau das verhindern musste, denn gegen die mit acht Oscars prämierte Musicalverfilmung kann man auf der Bühne schwerlich ankommen.

Foto: Bjørn Jansen
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Gerron

Schicksal eines Regiefanatikers

Ungeplante Erlebnisse sind oft die bereicherndsten. Es war Zufall, dass wir gestern in „Gerron“ gelandet sind. Eigentlich stand „Momentum“ auf meinem persönlichen Spielplan, es fiel aber wegen der plötzlichen Erkrankung von Ingo Biermann aus. Wir hatten nur zwei Minuten um vom großen Haus in die Werkstatt zu wechseln und zum Glück hatte ich keine Ahnung, worum es in Gerron ging und musste schnell entscheiden, um die letzten Plätze zu sichern.

Zum Glück deshalb, weil erst, als das Stück begonnen hatte und ich André Rohde als Gerron mit Judenstern auf der Bühne sah, mir klar wurde, dass es an diesem Abend um die Grauen des Dritten Reichs gehen würde. Auch die Holzkonstruktion auf der Bühne entpuppte sich damit als KZ-Verschlag. Ich bin nicht immer aufnahmebereit für solchen Stoff. Besuche in KZ-Gedenkstätten führen einem stets vor Augen, wie grauenhaft Menschen sein können und wie viel Leid sie einander zugefügt haben. Ich muss mich erst innerlich darauf einstellen, bevor ich mich dem aussetze. Dazu kommt meine Sorge, dass das Thema für irgendeine Agenda missbraucht wird.

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Der brave Soldat Schwejk

Die Öde der Geschlechtslosen

Ich will es gleich klarstellen: Ich fand die Aufführung langweilig. Andere Premierenbesucher haben es höflicher gesagt, etwa in dem Sinne, dass das erste Drittel ganz interessant gewesen sei, aber es sich dann doch gezogen habe. Das mit dem ersten Drittel ist richtig, es ist eigentlich immer richtig. Denn am Anfang sieht man viel Neues auf der Bühne. Diesmal beispielsweise das gelungene Bühnenbild von Ursula Gaisböck: Ein überdimensionaler Clownshut und große rote Puschel auf dem Boden verstreut. Auch Johanna Link im knallroten Strampler als Soldat Schweijk ist zunächst interessant anzusehen und Rudolf Hartmann ist ein bemerkenswerter Anblick, wenn er in Kampfuniform und Reifrockgestell Schifferklavier spielt und dazu singt. Doch wenn sich die ersten Eindrücke gesetzt haben, kommt es auf das Stück und seine Inszenierung an. Und die hat wohl auch dem Premierenpublikum nicht so ganz zugesagt; der sonst immer sehr überschwängliche Applaus war etwas verhalten. Wie gesagt, ich fand es vor allem langweilig.

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Draußen vor der Tür

Kriegsheimkehrer*innen verstehen lernen

Als ich mit dem einen und anderen Besucher nach der Premiere sprach, schwankte ihr Eindruck zwischen nicht schlecht, ganz gut und weiß nicht; Einigkeit herrschte darin, dass es am Ende der Aufführung etwas zäh wurde. Langeweile hatte sich eingestellt, manchem fielen gar die Augen zu.

Wie kann das sein? Wie kann das sein, bei einem Stück wie diesem?

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Wer hat Angst vorm weißen Mann

Offensichtlich hat die Dramaturgie keinen Einfluss auf die Aufführung. Und das ist auch gut so.

Dominique Lorenz hat mit „Wer hat Angst vorm weißen Mann“ ein wunderbares Volkstheaterstück geschaffen. Ein Schenkelklopfer reiht sich an den nächsten, ganz so wie bei Ohnesorgs, und am Ende denkt man gerne darüber nach, was einem das Stück über das Leben und das Schicksal sagt. Und unserem Theater gelingt es, das Lustspiel gekonnt in Szene zu setzen.

Es geht um den Metzgermeister Franz, der nach seinem Schlaganfall in den Betrieb zurückkehrt und feststellt, dass seine Welt in Unordnung geraten ist. Tochter Zita hat den Betrieb mehr recht als schlecht mit dem Asylbewerber Alpha aus Togo am Laufen gehalten, doch die Kunden bleiben weg, weil die Weißwürste nicht mehr so schmecken wie früher. Zita träumt von einer Imbissecke, einer sanften Erneuerung des alteingesessenen Betriebs. Sohn Anton, ein Luftikus unter der Fuchtel seiner Frau, will die Metzgerei ganz aufgeben und eine Lounge einrichten.

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Von Mäusen und Menschen

Am Ende doch Angst vor der Courage

Foto: Ilja Mess

Ich bin mit einem unguten Gefühl in die Vorstellung gegangen. Ich hatte als Jugendlicher in den 1960er Jahren eine Verfilmung gesehen und kann noch heute dem deprimierenden Gefühl nachspüren, das der Film hinterließ. Irgendwas an Geschichte hatte damals offensichtlich einen Nerv bei mir getroffen.

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Warten auf Godot

Wartest Du noch oder lebst Du schon? (leicht abgewandelte IKEA-Weisheit)

Der Saal wird dunkel, der Vorgang gleitet auseinander, schwach schimmert etwas Weißes, Längliches in der Bühnenmitte. Dann, Peng! Scheinwerfer schneiden zwei Kreise in die Dunkelheit. Links sehen wir Estragon (Peter Posniak), rechts Vladimir (Andreas Haase), die beiden Landstreicher und Hauptfiguren in Becketts wohl berühmtesten Stück. So beginnt die Theatersaison 2018 /19 in Konstanz.

Regie führt der Chef persönlich. Christoph Nix war es eine besondere Freude die Rolle zu wechseln, denn er hat ein spezielles Verhältnis zu dem Stück, wie er beim Vorstellen des Jahresprogramms ausgeführt hatte. Es war eine gute Idee, die Regie zu übernehmen, die Premiere ist gelungen und auch dem Publikum hat es gefallen. Das Bühnenbild ist kaum minimalistischer vorstellbar. Der Baum an der Landstraße ist eine weiße Säule, die von der Decke hängt, der Rest ist eine schräg ansteigende Fläche. Das reduzierte Bühnenbild konzentriert den Fokus auf die Schauspieler, die sich keine Schwäche erlauben dürfen. Das tun sie auch nicht.

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Betrunkene

Von Bssoffne und Narrn kannsch die Wahrheit erfoahrn. Tiroler Sprichwort

Eine von mehreren Möglichkeiten Theater zu machen, ist es, ein Stück zu nehmen und es so auf die Bühne zu bringen, dass die Idee des Autors sich ausdrückt. Auch ein Autor hat mehrere Möglichkeiten, unter anderem die, eine Sicht auf die Welt in ein dramaturgischen Geschehen zu packen, so dass das Drama diesen Aspekt sichtbar macht. Wenn dann dazukommt, dass die Akteure ihr Handwerk beherrschen, kann Theater berauschend sein, so wie gestern Abend in Konstanz bei der Premiere von „Betrunkene“ des Russen Iwan Wyrypajew unter der Regie der in Odessa geborenen Elina Finkel.

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Mein Kampf

Wirres Theater kann einer verwirrten Gesellschaft nicht helfen

Ich gebe es unumwunden zu: Ein wenig stolz bin ich darauf, dass es unser kleines Stadttheater geschafft hat, nicht nur in allen deutschen Medien besprochen zu werden, sondern auch bis in die USA be(ob)achtet wird. Dass, obwohl ich den Anlass, nämlich die Hakenkreuz-Davidstern-Geschichte, sehr bedenklich finde, wie ich weiter unten ausführen werde. Ungefähr der gleiche Stolz, den ich empfinde, wenn unsere Fußballer Brasilien mit 7:1 in den Senkel stellen.

Fangen wir mal mit dem Positiven an. Das Stück ist sehenswert. Es passiert viel, es ist ordentlich Action auf der Bühne, die Bühnengestaltung, die Musik – alles vom Feinsten. Man kann lachen und man kommt ins Grübeln. Theater von seiner besten Seite.

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Salome

Das großartige Drama von Oscar Wilde hätte ein Glanzstück des Konstanzer Theaters werden können. Ein veritabler Schwachpunkt hat es leider verhindert.

Die biblische Geschichte ist so einfach wie bekannt. König Herodes feiert seinen Geburtstag. Er hält Johannes den Täufer gefangen, der seine Frau Herodias beschimpft. Die war nämlich Herodes‘ Schwägerin, bevor dieser seinen Bruder umgebracht hat. Auf dem Fest bittet Herodes seine Stiefttochter Salome für ihn zu tanzen, was diese auch tut, nachdem er ihr versprochen hat, jeden Wunsch zu erfüllen. Sie wünscht sich dann, von ihrer Mutter beeinflusst, den Kopf des Johannes, den sie auch bekommt. Herodias hat nun Ruhe vor den Vorwürfen des Predigers.

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