Echtzeit-Internet ist ein neues Schlagwort über das man viel liest. Das Tempo der Netzveröffentlichungen hat so zugenommen, dass sich der Charakter verändert: Von der Präsentation statischer Inhalte zum kontinuierlichen Informationsstrom, von der Plakatsäule zur weltweiten Webcam.
Wird die Internet-Publikations-Taktrate kontinuierlich erhöht, erleben etliche Eigenschaften einen qualitativen Sprung. Spätestens mit den Bildern der Notlandung von US Airways 1549 im Hudson wurde Twitter als Nachrichtenmedium der Öffentlichkeit bekannt. Einen eher subtilen Effekt möchte ich hier beleuchten: Das Internet als Realitätsersatz.
Zuerst ist das Internet ein Spiegel der Welt. (Fast) alles auf der Welt bekommt sein digitales Pendant. Echtzeit-Internet schafft eine neue Qualität indem deutlich wird, dass das Internet nicht nur ein Abbild der Welt ist, sondern ein Teil der Welt, eine Konkurrenzveranstaltung zur „wirklichen“ Welt. Zwar ist es eigentlich Quatsch, zwischen realer Welt und künstlicher (Internet-)Welt unterscheiden zu wollen. Aber es ist offensichtlich, dass der Internet-Teil unserer Lebenswelt rasant wächst. Man könnte sogar spekulieren, dass dies auf Kosten der realen Welt geschieht: Während sich das Internet immer feiner ausdifferenziert, homogenisiert sich unser klassisches Umfeld: McDonalds im Tibet.
Wir leben einen Teil unseres Lebens in der digitalen Welt, nun also im Echtzeit-Internet. Alles was es im „realen“ Leben zwischen Menschen gibt, wird sich im Internet wiederfinden. Es wird lediglich zu einem Ort. Was wir verstehen lernen müssen, ist, wie sich diese Internet-Welt unterscheidet. Nur zwei Stichworte: Privatheit vs. Öffentlichkeit und Verteiltheit vs. Zentralität. Alles im Netz ist ja bekanntermaßen öffentlich und permanent, ein Kneipengespräch dagegen intim und flüchtig. So wichtig es ist, vor den entsprechenden Konsequenzen zu warnen, sollte man es nicht ausschließlich als Gefahrenquelle betrachten. Im Wasser kann man ja auch ertrinken oder baden