Das isses!
„Ich habe mich prächtig amüsiert, ich bin nur nicht ganz sicher, worüber.“ So hatte ich nach der Premiere meinen Eindruck zusammengefasst. „Amüsiert“ trifft es nicht wirklich, die Schauspielerei war vom Feinsten, was ich in Konstanz gesehen habe. Erst kürzlich war ich mit den Konstanzer Theaterfreunden in der Basler Inszenierung von Shakespeares Sommernachtstraum und dachte: Da spielt eine andere Liga, mindestens zwei Klassen höher. Aber dieses Urteil habe ich nun revidiert. Unsere Schauspieler können durchaus mithalten und ich erinnere mich, dass ich schon oft spekuliert habe, dass die Qualität einer Inszenierung daran hängt, wie die Regie die Möglichkeiten und die Grenzen den Ensembles erkennt und berücksichtigt.
Das außergewöhnliche Regiekonzept von Hannes Weiler, der zuletzt Quijote auf die Bühne brachte, lässt die Schauspieler offenbar zu Höchstleistungen auflaufen. Weiler kommt ohne Text und ohne niedergeschriebenes Konzept nach Konstanz und entwickelt beides im Gespräch mit dem Ensemble. Wenig überraschend, wenn in Anbetracht von Textänderungen bis kurz vor der Erstaufführung ein paar Hänger von den Schauspielern elegant überspielt werden müssen. Dass der Entstehungsprozess die Beteiligten zusammenschweißt, schien man zu spüren.
Bei Patrick O. Beck, Sarah Siri Lee König und Anne Rohde lohnt es nicht darüber nachzudenken, wer besser oder wer weniger gut war. Alle hatten ihre großartigen Momente. O. Beck als Guru, Rohde als Influencerin oder König als Heulsuse, es gab viele Highlights. Vor allem hat sich mir eingebrannt, wie Anne Rohde mühelos die gleiche Szene dreimal hintereinander spielen konnte, immer mit der gleichen Intensität und dann noch einmal als müden, lustlosen Abklatsch, und wenn das alles von Patrick O. Beck fast pantomimisch noch einmal nachgespielt wird – dann offenbart sich, was Schauspielerei ist und welcher Zauber ihr innewohnt. Es sind die vielen Brüche, die den Zuschauer immer wieder aus der Imagination herausreißen und deutlich machen: Es ist alles nur Spiel. Eine weitere Bruchebene bilden die Videoclips, die in dem die Bühne dominierenden, übermannsgroßen Smartphone ablaufen.
Florian Dietrichs Bühnenbild ist weit mehr als ästhetische Dekoration. Die Spiegelwelt der sozialen Medien ist ein Ankerpunkt in der Übertragung von Oscar Wildes Roman, in dem es um Selbstbild, Außenbild und Inszenierung geht. Womit ich beim zweiten Eindruck bin, nämlich jenem, irgendwie nicht alles verstanden zu haben. Ich habe nie den Roman gelesen und nach dem Lesen der Zusammenfassung in der Wikipedia blieb mir nur haften, dass Dorian Gray ein Portrait besaß, das statt seiner alterte und dass er am Lebensende mit einer hässlichen Fratze konfrontiert wurde, die die Sünden seines Lebens ausdrückte. Dass sich dieser Gedanke in der Inszenierung wiederfindet, ist wenig überraschend, aber ob und wie sich die Verästelungen des Romangeschehens im Bühnengeschehen wiederfinden – darüber könnte ich nur spekulieren.
Ich fragte Patrick O. Beck und er meinte, das Stück könne man sehen, ohne den Roman gelesen zu haben, aber wenn man ihn kennt, würde man etliche Bezüge finden. Hilfreich sei es, die vier Personen zu kennen, um die es immer wieder geht. Das gibt der Wikipedia-Artikel her.
Was in Erinnerung bleibt, ist eine Überfülle an Formen und Facetten, mit denen sich Menschen heute inszenieren und verstecken, vorgetragen in einem Tempo, das an Raserei grenzt, immer hart an der Grenze zur Absurdität entlang und oft urkomisch. Ich werde mir vielleicht einen zweiten Besuch genehmigen.