Die Öde der Geschlechtslosen
Ich will es gleich klarstellen: Ich fand die Aufführung langweilig. Andere Premierenbesucher haben es höflicher gesagt, etwa in dem Sinne, dass das erste Drittel ganz interessant gewesen sei, aber es sich dann doch gezogen habe. Das mit dem ersten Drittel ist richtig, es ist eigentlich immer richtig. Denn am Anfang sieht man viel Neues auf der Bühne. Diesmal beispielsweise das gelungene Bühnenbild von Ursula Gaisböck: Ein überdimensionaler Clownshut und große rote Puschel auf dem Boden verstreut. Auch Johanna Link im knallroten Strampler als Soldat Schweijk ist zunächst interessant anzusehen und Rudolf Hartmann ist ein bemerkenswerter Anblick, wenn er in Kampfuniform und Reifrockgestell Schifferklavier spielt und dazu singt. Doch wenn sich die ersten Eindrücke gesetzt haben, kommt es auf das Stück und seine Inszenierung an. Und die hat wohl auch dem Premierenpublikum nicht so ganz zugesagt; der sonst immer sehr überschwängliche Applaus war etwas verhalten. Wie gesagt, ich fand es vor allem langweilig.
Es ist aber auch nicht einfach mit dem Stoff. Was vor hundert Jahren witzig war, das kann man heute zwar als humorvoll gemeint erkennen, aber nicht wirklich drüber lachen. Es ist so wie mit Dick und Doof. Wenn man die Filme heute anschaut, wundert man sich, dass man darüber lauthals lachen konnte.
Auch die Ausgangslage ist uns heute fremd. Schweijk mischt den pervertieren und verkrusteten Militärbetrieb der K.u.K-Monarchie mit seinem anarchischen Gehorsam auf. Doch einen solchen Militärapparat kennen wir eigentlich nicht mehr. Unsere Bundeswehr ist es jedenfalls nicht. Nein, der Amtsschimmel wiehert bei uns wohl eher in Behörden, die dem Übel der Welt mit Politischer Korrektheit und gendergerechter Sprache beikommen wollen. Vielleicht war es ein kleiner Schweijk der unserem Außenminister gesteckt hat, dass er der in Afghanistan gefallenen Soldaten und Soldatinnen (!) gedenken soll. In der Welt dieser Behörden, die sich um all die Sichtbarkeit all der Geschlechter zwischen Mann und Frau sorgen, hätte man das Stück eher vorstellen können.
Aber es gibt noch eine weitere Schwierigkeit mit dem Stoff. Die Grundlage bilden einzelne, abgeschlossene Geschichten von Jaroslav Hašek. Jede für sich hat wohl einen Spannungsbogen, hintereinandergeschaltet ergeben sie aber kein Theaterstück. Vielleicht hätte Hašek noch einen dramatischen Gesamtrahmen geschaffen, wenn er nicht mit 39 am Alkohol und an den Kriegsfolgen gestorben wäre.
Es war also tatsächlich eine Herausforderung für die Regisseurin Sapir Heller und den Dramaturgen Eivind Haugland. Sie haben sich auch das ein und andere einfallen lassen. Wenn Sylvana Schneider als Amtsärztin mit einer Art Halloween-Maske spielt, ist das wirklich zum Lachen und auch ihre Tanzperformance bringt Leben auf die Bühne. Aber das sind nur Ansätze. Und überhaupt – wäre das Stück voll mit solchem Klamauk gewesen, hätte ich mich wohl gut unterhalten gefühlt, aber doch gefragt, was das noch mit Schweijk zu tun habe. Aber trotzdem – ich hätte mir mehr Mut bei der Inszenierung gewünscht.
Aber vielleicht dachte man, es sei kreativ genug, die Männerrollen von Frauen spielen zu lassen. Das wird ja am Konstanzer Theater gerne und häufig gemacht. (Ich denke, der Grund ist nicht, dass man nicht genug männliche Schauspieler hat.) Diesmal jedenfalls ging es gar nicht auf. Johanna Link stellt keinen Mann dar, bestenfalls einen kleinen Jungen, wozu dann auch der Strampelanzug passt. Doch damit verkümmert die Figur. Wenn Schweijk sich zärtlich an den versoffenen Militärpfaffen (Odo Jergitsch) anlehnt und ihn streichelt, fehlt die homoerotische Komponente, die die Komik dieser Szene ausmacht. Es ist halt so, dass nicht nur das Leben öd und fad wird, wenn Mann und Frau nicht mehr ihre Unterschiede zelebrieren, sondern auch das Theater.
Da hätte man doch besser gleich aus der Männerarmee eine Frauenarmee machen sollen. Dann hätte man statt Machogehabe Zickenkriege auf die Schippe nehmen können und dem Stück einen neuen Anstrich gegeben. Vielleicht ein andermal in diesem Theater!