Die Dinge sind nicht, was sie scheinen
Der Esel ist natürlich nur ein Beispiel für die Dinge, die wir so selbstverständlich als gegeben annehmen. Dabei kann die Sache sehr vertrackt werden, wenn man sie sich genau anschaut. In diesem Fall wollen wir den Esel von seiner Umwelt abgrenzen. Also: Da ist die Wiese, und auf der steht der Esel. Soweit so gut. Aber wo genau ist die Grenze?
Logischerweise schauen wir auf die Hufe. Diese gehören zum Esel und wenn er ein Bein hochhebt, ist dass, was in der Luft ist ein Teil des Esels, der Boden bleibt zurück. Doch so einfach ist die Sache nicht. An der Hufe klebt natürlich noch ein Rest vom Wiesenboden, vielleicht ein paar Grashalme. Diese gehören nicht zum Esel, sie sind nur Schmutz, der am Esel klebt. Aber wir können noch recht zuversichtlich annehmen, dass wir – mit entsprechenden Reinigungsutensilien bewaffnet – den Esel von seinem Schmutz befreien können. Obwohl: Ob das auf der molekularen Ebene wirklich geht? Nun, wir vertiefen das nicht, sondern betrachten eine andere „Esel-Grenze“.
Schauen wir aufs Maul (und auf den After). Der Esel frisst Gras. Das Gras ist nicht Teil des Esels. Er kaut es, schluckt es, verdaut es. Irgendwann ist es im Esel drin. Ist es Teil des Esels? Wenn ja: Wann wurde es Teil des Esels? Als er es im Maul hatte (halb oder vollständig) oder als es verschluckte? Oder irgendwann während des Verdauungsvorgangs? Und wenn der Esel das Gras ausscheidet. Der Kot ist nicht Teil des Esels, oder? Die genaue Grenzziehung wird offensichtlich immer schwieriger.
Versuchen wir es mal auf der molekularen Ebene. Vielleicht können wir ja die Moleküle im Esel danach klassifizieren, ob sie sich nur temporär im Esel aufhalten oder fest an Muskeln oder Knochen gebunden sind. Doch vermutlich ist es so, dass sich die Moleküle und Atome im Esel ständig austauschen, ohne dass sich der Esel ändert. Ganz davon abgesehen, dass der Esel (wie alle Säuger) eine fröhliche Lebensgemeinschaft mit Parasiten, Bakterien und anderen Kleinstlebewesen bildet. Was also ist der Esel?
Wir sind versucht so etwas wie eine raum-zeitliche Energiestruktur zu postulieren. Eine von der fassbaren Materie unabhängiges Irgendwas, auf jeden Fall nicht einfaches, anfassbares Stück materieller Welt. Wenn schon so ein banales Tier eine beinahe esoterische Existenz führt, was wird uns wohl begegnen, wenn wir uns die weniger stofflichen Dinge der Welt anschauen?