Draußen vor der Tür

Kriegsheimkehrer*innen verstehen lernen

Als ich mit dem einen und anderen Besucher nach der Premiere sprach, schwankte ihr Eindruck zwischen nicht schlecht, ganz gut und weiß nicht; Einigkeit herrschte darin, dass es am Ende der Aufführung etwas zäh wurde. Langeweile hatte sich eingestellt, manchem fielen gar die Augen zu.

Wie kann das sein? Wie kann das sein, bei einem Stück wie diesem?

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Wer hat Angst vorm weißen Mann

Offensichtlich hat die Dramaturgie keinen Einfluss auf die Aufführung. Und das ist auch gut so.

Dominique Lorenz hat mit „Wer hat Angst vorm weißen Mann“ ein wunderbares Volkstheaterstück geschaffen. Ein Schenkelklopfer reiht sich an den nächsten, ganz so wie bei Ohnesorgs, und am Ende denkt man gerne darüber nach, was einem das Stück über das Leben und das Schicksal sagt. Und unserem Theater gelingt es, das Lustspiel gekonnt in Szene zu setzen.

Es geht um den Metzgermeister Franz, der nach seinem Schlaganfall in den Betrieb zurückkehrt und feststellt, dass seine Welt in Unordnung geraten ist. Tochter Zita hat den Betrieb mehr recht als schlecht mit dem Asylbewerber Alpha aus Togo am Laufen gehalten, doch die Kunden bleiben weg, weil die Weißwürste nicht mehr so schmecken wie früher. Zita träumt von einer Imbissecke, einer sanften Erneuerung des alteingesessenen Betriebs. Sohn Anton, ein Luftikus unter der Fuchtel seiner Frau, will die Metzgerei ganz aufgeben und eine Lounge einrichten.

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Von Mäusen und Menschen

Am Ende doch Angst vor der Courage

Foto: Ilja Mess

Ich bin mit einem unguten Gefühl in die Vorstellung gegangen. Ich hatte als Jugendlicher in den 1960er Jahren eine Verfilmung gesehen und kann noch heute dem deprimierenden Gefühl nachspüren, das der Film hinterließ. Irgendwas an Geschichte hatte damals offensichtlich einen Nerv bei mir getroffen.

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Warten auf Godot

Wartest Du noch oder lebst Du schon? (leicht abgewandelte IKEA-Weisheit)

Der Saal wird dunkel, der Vorgang gleitet auseinander, schwach schimmert etwas Weißes, Längliches in der Bühnenmitte. Dann, Peng! Scheinwerfer schneiden zwei Kreise in die Dunkelheit. Links sehen wir Estragon (Peter Posniak), rechts Vladimir (Andreas Haase), die beiden Landstreicher und Hauptfiguren in Becketts wohl berühmtesten Stück. So beginnt die Theatersaison 2018 /19 in Konstanz.

Regie führt der Chef persönlich. Christoph Nix war es eine besondere Freude die Rolle zu wechseln, denn er hat ein spezielles Verhältnis zu dem Stück, wie er beim Vorstellen des Jahresprogramms ausgeführt hatte. Es war eine gute Idee, die Regie zu übernehmen, die Premiere ist gelungen und auch dem Publikum hat es gefallen. Das Bühnenbild ist kaum minimalistischer vorstellbar. Der Baum an der Landstraße ist eine weiße Säule, die von der Decke hängt, der Rest ist eine schräg ansteigende Fläche. Das reduzierte Bühnenbild konzentriert den Fokus auf die Schauspieler, die sich keine Schwäche erlauben dürfen. Das tun sie auch nicht.

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Betrunkene

Von Bssoffne und Narrn kannsch die Wahrheit erfoahrn. Tiroler Sprichwort

Eine von mehreren Möglichkeiten Theater zu machen, ist es, ein Stück zu nehmen und es so auf die Bühne zu bringen, dass die Idee des Autors sich ausdrückt. Auch ein Autor hat mehrere Möglichkeiten, unter anderem die, eine Sicht auf die Welt in ein dramaturgischen Geschehen zu packen, so dass das Drama diesen Aspekt sichtbar macht. Wenn dann dazukommt, dass die Akteure ihr Handwerk beherrschen, kann Theater berauschend sein, so wie gestern Abend in Konstanz bei der Premiere von „Betrunkene“ des Russen Iwan Wyrypajew unter der Regie der in Odessa geborenen Elina Finkel.

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Mein Kampf

Wirres Theater kann einer verwirrten Gesellschaft nicht helfen

Ich gebe es unumwunden zu: Ein wenig stolz bin ich darauf, dass es unser kleines Stadttheater geschafft hat, nicht nur in allen deutschen Medien besprochen zu werden, sondern auch bis in die USA be(ob)achtet wird. Dass, obwohl ich den Anlass, nämlich die Hakenkreuz-Davidstern-Geschichte, sehr bedenklich finde, wie ich weiter unten ausführen werde. Ungefähr der gleiche Stolz, den ich empfinde, wenn unsere Fußballer Brasilien mit 7:1 in den Senkel stellen.

Fangen wir mal mit dem Positiven an. Das Stück ist sehenswert. Es passiert viel, es ist ordentlich Action auf der Bühne, die Bühnengestaltung, die Musik – alles vom Feinsten. Man kann lachen und man kommt ins Grübeln. Theater von seiner besten Seite.

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Salome

Das großartige Drama von Oscar Wilde hätte ein Glanzstück des Konstanzer Theaters werden können. Ein veritabler Schwachpunkt hat es leider verhindert.

Die biblische Geschichte ist so einfach wie bekannt. König Herodes feiert seinen Geburtstag. Er hält Johannes den Täufer gefangen, der seine Frau Herodias beschimpft. Die war nämlich Herodes‘ Schwägerin, bevor dieser seinen Bruder umgebracht hat. Auf dem Fest bittet Herodes seine Stiefttochter Salome für ihn zu tanzen, was diese auch tut, nachdem er ihr versprochen hat, jeden Wunsch zu erfüllen. Sie wünscht sich dann, von ihrer Mutter beeinflusst, den Kopf des Johannes, den sie auch bekommt. Herodias hat nun Ruhe vor den Vorwürfen des Predigers.

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Die unsichtbare Hand

Wer keinen Burger mag, soll keinen Burger essen und nicht versuchen, einen Burger zum Tofu-Brötchen zu machen

Nach dem Stück wurde ich gefragt, was uns das denn nun sagen solle. Meine Antwort war eher dünn. Es solle das zeigen, was es zeige, sagte ich: Nick Bright, ein amerikanischer Banker, wird in Pakistan von einer Islamistenzelle gefangen genommen, um Lösegeld zu erpressen. Da sie aber den Falschen erwischt haben, und überdies der Imam mittlerweile von den USA als Terrorist eingestuft ist, wird das mit dem Lösegeld nichts werden. Nick bietet nun an, sein Lösegeld an der Börse zu verdienen und seinen Bewacher Bashir in die Kunst von Puts und Calls einzuweihen. Die islamischen Terroristen werden vom Spekulationsfieber erfasst, es zeigt sich, dass sie auch nur Menschen sind, die ihren eigenen Vorteil suchen, es wird ein wenig über Schuld des westlichen Imperialismus, über Glaube, über Marktgesetze und so weiter geredet und am Ende ist Bashir skrupelloser als sein Lehrer, der Imam tot und Nick zwar frei aber weiter in seinem Gefängnisloch eingesperrt. (Letzteres ist etwas merkwürdig und wohl ein Einfall der Dramaturgin.)

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Nathan

…und das nicht so weise Stadttheater Konstanz

Gestern Abend war Premiere von „Lebenshunger“ und weil ich dazu nicht viel zu sagen habe, will ich jetzt meine Anmerkungen zum Nathan loswerden.

Vorab kurz zum Tanztheater „Lebenshunger“. Das war schön, sogar ein wenig eindrucksvoll. Es wurde moderne Musik gespielt, eine Mischung aus E-Musik und Pop mit Übergängen zur Sound-Art. Ich mag das. Dazu sechs junge, athletische Körper, deren Bewegungen zwischen Zärtlichkeit und Gewalt changieren. Irgendetwas wie Handlung konnte ich nicht ausmachen, aber das hat mir nicht gefehlt. Was mich im Nachhinein erstaunt hat, war, dass ich alles völlig unerotisch fand. Nicht dass ich das gebraucht hätte, aber irgendwie schon bemerkenswert, wenn drei Männer und Frauen über eine Stunde lang ihre Körper aneinander tanzen und sogar alle sechs in Löffelchenstellung den Gruppenschlaf zelebrieren, dass das so entsexualisiert sein kann. Nun ja, ich kann’s auf jeden Fall empfehlen.

Dann also zum Nathan. Die Premiere ist ja nun schon eine Weile her. Das Stück kann ich auch empfehlen, es ist gut gemachtes Theater. Mein „Aber“ kommt gleich, sollte aber niemanden von einem Besuch abhalten.

Was die Konstanzer ja wirklich gut draufhaben, sind Inszenierung und Bühnengestaltung. Das Stück spielt in der Spiegelhalle und das Publikum wird zunächst in drei Gruppen aufgeteilt. Jede Gruppe sieht die drei Anfangsszenen einzeln im Foyer oder an den Bühnenrändern. Das ist mal was anderes. Als Zuschauer steht man fast neben den Schauspielern und kriegt tatsächlich einen ganz anderen Eindruck als beim distanzierten Blick auf die Bühne.

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Jesus Christ Superstar

Jesus in einer säkularen Gesellschaft: Da ist der Kitsch ganz nah

Foto: Bjørn Jansen

Die Handlung dürfte dem Leser bekannt sein – bis hinein in kleine Details. Die Leidensgeschichte Jesu vom Einzug in Jerusalem bis zum Tod am Kreuz wurde den schon länger hier Lebenden im Schul- und Religionsunterricht und vielfach auch im Elternhaus nahegebracht. Diese Erzählung, die den Glauben von über zwei Milliarden Menschen begründet, für den profanen Unterhaltungsbetrieb zu nutzen, ist mit mehreren Problemen gespickt. Denn selbst für den, der sich schon früh von der Kirche abgewandt hat, beispielsweise in der Zeit als Jesus Christ Superstar uraufgeführt wurde, ist der Stoff mit vielen Bedeutungen aufgeladen. Und darum werden nur die Wenigsten bei Jesus im Garten Getsemani an einen Menschen denken, der plötzlich Schiss vor der eigenen Courage bekommt. Vielmehr werden die meisten den Bezug zum Schicksalszweifel herstellen, der auch gläubige Christen in Zeiten von Not befällt und hier von Gottes Sohn prototypisch durchlitten wird.

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