Wonderful World

Verdeckter Spendenaufruf unseres Theaters?

Foto: Ilja Mess

Ein Liederabend steht auf dem Programm und es ist auch ein schöner Abend mit Liedern. Wobei es sich für mich falsch anhört, bei Jazz von Liedern zu sprechen. Aber Namen sind ja Schall und Rauch (wieso eigentlich Rauch?) und die Musiker verschaffen den Zuhörern einen Genussabend, der sie in die Zeit zurückführt, in der sich die Musik schwarzer Amerikaner zu Welthits emanzipierte.

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Glückliche Tage

Nur eine Kleinigkeit, aber sie stört.

Foto: Bjørn Jansen

Seit Franziskus – Gaukler Gottes bin ich ein absoluter Fan von Renate Winkler. Sie ist eine großartige Schauspielerin. Im Franziskus konnte sie allein den ganzen Kirchenraum bespielen und ich war gespannt, wie ihr die Rolle der Winnie gelingen würde, denn eingegraben bis zur Hüfte in einen Erdhügel, wie die Anweisung des Autors das Setup vorgibt, verliert die Schauspielerin viel von ihren Ausdrucksmöglichkeiten.

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Zwei Tage, eine Nacht

So lang hat das Stück nicht gedauert – zum Glück

Ich war gewarnt worden. Man hatte mir gesagt, dass das Stück zäh sei und sich ziehen würde. Langweilig, Tendenz: bei der Hälfte den Saal verlassen, bevor die Augen zufallen. Die Warnung ist bei mir verpufft. Öfter schon hatte ich eine andere Wahrnehmung eines Stückes als andere Zuschauer. Mal fand ich es schlechter, mal auch positiver. Und überhaupt: Ich bilde mir natürlich meine eigene Meinung.

Foto: Ilja Mess
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Am Wasser

Wie das Konstanzer Publikum mit einem Skandalthema geschockt wird

Drei Wochen vor der Uraufführung hatte ich den ersten Artikel im Südkurier über das Stück gelesen. Der Überlinger Hänselevater hatte es abgelehnt, dem Theater ein Häs zu leihen, und zwar, „weil er das Hänsele davor bewahren wollte, das mit ihm die Rüstungsindustrie schlecht geredet werde“. Diese Begründung war der Lokalredaktion einen Artikel wert. Es gab noch weitere Beiträge, auch im Seemoz, einen Vortrag des Friedensaktivisten Jürgen Grässlin im Theater und eine Demonstration vor dem Werksgelände der Firma Diehl Defence in Überlingen. Also reichlich Presse und Aktivität im Vorfeld – das macht natürlich neugierig.

Foto: Ilja Mess
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Die Tage der Commune

„In Erwägung der begrenzten Mittel unseres Theaters, haben wir beschlossen, ein tolles Stück auf die Beine zu stellen“

Foto: Bjørn Jansen

Warum sie Brechts Stück in der heutigen Zeit aufführe, wird die Johanna Schall gefragt. Weil heute wieder so ein Wunsch nach Veränderung in der Gesellschaft zu spüren sei, antwortet sie und zählt die Gelbwesten, Fridays for Future aber auch Trump, Brexit, AfD und andere als Phänomene auf. Aber ist der Wunsch nach Veränderung, nach einer besseren Welt, nicht zwangsläufig ein linker? Für die in der DDR aufgewachsene Schauspielerin und Regisseurin sind die Verhältnisse offensichtlich nicht so simpel. Sympathien mit den rechten Bewegungen aber hegt sie nicht, dass stellt sie klar.

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Kasimir und Karoline

Regietricks für die Männerseele

Foto: Bjørn Jansen

Wer Anfang der 1930er-Jahre arbeitslos wird, dem droht materielle und seelische Not und so ist Kasimir, der tags zuvor „abgebaut“ wurde, nicht nach Feiern zumute. Seine Verlobte Karoline aber will sich vergnügen. Und so sieht der Zuschauer, wie die Beziehung der beiden auf dem Oktoberfest immer mehr zerbricht. Sie lässt sich erst von dem Zuschneider Egon Schürzinger umgarnen, später flirtet sie dann mit dem Kommerzienrat Rauch. Kasimir gibt sich derweil mit dem Merkl Franz und seiner Erna trübsinnigen Gedanken hin, die sich darum drehen, ob man sich besser politisch engagieren, oder sein Glück auf eigene (kriminelle) Faust suchen soll.

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Franziskus – Gaukler Gottes

Nicht gewollt, sondern gekonnt

Foto: Bjørn Jansen

Die neue Spielzeit hat mit einer brillanten Aufführung begonnen. Wer der Kunstfertigkeit einer großartigen Schauspielerin beiwohnen will und eineinhalb Stunden vor ungewohnter Kulisse bestens unterhalten werden möchte, der sollte sich Renate Winkler in der Christuskirche anschauen. Ich kann es uneingeschränkt empfehlen.

Das Stück von Dario Fo erzählt das Leben und Wirken des heiligen Franz von Assisi. Ich weiß nicht, ob alle Geschichten, die Dario Fo erzählt, eine faktische Grundlage haben. Etliches ist verbürgt oder etablierte Legende, entnehme ich der Internetsuchmaschine meiner Wahl. Die Zuspitzung des Franziskus als Rebell, der gegen die weltliche und kirchliche Obrigkeit, aber auch gegen die Dummheit und den Aberglauben des einfachen Volks mit Mut und Witz ankämpft, trägt ganz die Handschrift des Autors.

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Die Vögel

Sprechtheater hat mit sprechen zu. Das sollte man also auch können.

Ich hatte mich auf die Aufführung gefreut. Das Ankündigungsplakat mit dem gebratenen Hühnchen gefiel mir und die Fotos von dem „Bällebad“ auf der Homepage des Theaters versprachen ein ordentliches Bühnengaudi.

In der Tat: Die Bühnengestaltung, die Kostüme, die Requisiten – all das war vom Feinsten. Marie Labsch zeichnet dafür verantwortlich und man kann sie kaum genug loben. Welchen Beitrag die Choreografie in dieser Aufführung spielt, kann ich nicht genau einschätzen. Aber ich vermute, auch Zenta Haerter hat viel dazu beigetragen, dass das Stück nicht völlig abgestürzt ist. Denn was soll man davon halten, was Eivind Haugland (Dramaturgie) und Ingo Putz (Regie) da abgeliefert haben?

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Die Hauptstadt

Gibt es eigentlich eine EU-Richtlinie für die korrekte Benennung von Kunst?

Den großen Fehler haben die Theatermacher lange vor der Premiere gemacht. Sie haben die Aufführung als Schauspiel angekündigt, doch was dann gezeigt wurde, war eine szenische Lesung. Statt sich die Handlung im Spiel der Figuren entwickeln zu lassen, wurden im Wesentlichen größere Textpassagen aus Menasses umstrittenen Werk vorgetragen, gelegentlich unterbrochen von gespielten Situationen. Einige Zuschauer verließen das Theater in der Pause. Sie kannten das Buch und wollten sich keine Hörbuchfassung antun. Andere verließen die Vorstellung, weil das Dargebotene zur wirr schien.

Es war vermutlich gut, dass ich das Buch nicht gelesen, mir aber eine Inhaltsangabe zu Gemüte geführt hatte. So waren die vorgetragenen Texte frisch und ich konnte den vielen parallelen Handlungssträngen folgen. Und ich mag szenische Lesungen, ich finde, es ist eine schöne Kunstform.

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Meer

Zwölftonmusik in Textform

Die Handlung von Jon Fosses „Meer“ ist schnell erzählt, es gibt nämlich keine, oder fast keine. Es gibt lediglich ein Setup: Sechs Menschen, zwei Männer und zwei Paare befinden sich irgendwo, sie wissen nicht, wo sie sind und auch der Zuschauer weiß es nicht. Die Personen sprechen Sätze mit Pausen dazwischen, die meisten Sätze sprechen sie so vor sich hin, manche richten sie auch an andere Personen auf der Bühne und auf einige dieser Sätze reagieren die Angesprochenen sogar. Ob es sich dann um eine Antwort handelt, ist meist unklar.

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